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Hermes

1/3/2019

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Nicht der Götterbote. Vielmehr Hermes der Paketbote. Oder Hermes, die eiserne Lady.
Ich habe geschrieben, ich sei altbacken. Oldfashioned. Oh nein, keine Anglizismen mehr. Ich hasse sie. Aber ja, ich liebe es, mich mit dem Messer zu rasieren. Und ich liebe es, alte Musik zu hören. Und ich liebe es, das Zehnfingersystem nicht zu beherrschen. Warum? Weil auf diesem Schmuckstück hier das zügige Schreiben nicht mal im Ansatz funktionieren würde. Könnte man doch nur den Klang dieses Schätzeleins aus 1939 ebenso niederschrieben. Aber nein, hierzu braucht es eben die alten Ohren. Das Geklappere der Tasten und das Glöcklein am Ende der Zeile kann nur von ihr kommen. Ich bin knapp zu jung, um je einen Commodore 64 besessen zu haben. Ich bin allerdings alt genug, um zu wissen, was vor den Computern in den Schreibstuben dieser Welt verwendet worden ist.
Manchmal wünsche ich mir diese Zeit zurück. Ich bin in einer Epoche aufgewachsen, die es so nie mehr geben kann und die ich nicht missen will. Wir waren draussen. Wir haben uns mit einem Telefon, das fix an der Wand gehangen ist, angerufen. Und ja: Ich gehöre dieser übriggebliebenen Generation an, die ohne Internet geboren wurde. 
Die letzte Dekade von Menschen, die weis, was ein Röhrenbildschirm ist und die es gekannt hat, beim Umschalten von DRS auf ARD aufstehen zu müssen. Mittlerweile schaut niemand mehr solche Sender. Als Musikaffiner habe ich es sogar geliebt, vor dem laufenden Radio zu sitzen und im entscheidenden Moment mit der Rec-Taste die begehrten Songs mit dem Kassettenrecorder aufzunehmen. Und wehe, der Herr Moderator hat bei «Shine on you crazy diamond» den Anfang vertextet oder bei «Still got the Blues» das lange Soli am Schluss rücksichtslos ausgeblendet. Morden hätte man ihn schon damals können gekonnt.
Ups, jetzt bin ich etwas abgeschweift. Dafür entschuldige ich mich. Wir hatten es ja vom Zehnfingersystem. Nachdem ich die halbe Seite getextet habe, muss ich gestehen, dass ich an den beiden Zeigefingern bereits leichte Schrammen davongetragen habe, nur weil ich die Taste nicht so ganz getroffen habe und der besagte Fingerling fadengerade in die hochkomplexe Mechanik der einzelnen Tasten verirrt hat. Tja, ihn dort runter zu stecken ist ja eines. Aber ihn wieder herauszupfriemeln ist schier unmöglich ohne Schäden an der Verpackung davonzutragen. Und das Verrückte daran ist, dass ihr, die ihr diesen Text lest, immer noch nicht wisst, was ich denn für ein Theater mache. Ich darf kurz ausholen: Da ich eben ja auf alten Mist stehe, habe ich mir auf Ricardo eine originale, in die Jahre gekommene Schreibmaschine ausgesucht. Für die, die jetzt wieder mal betagter sind als ich: Das ist eine Auktionsplattform mit alten und gebrauchten oder eben nicht mehr verwendeten Sachen. Und für die, die soviel jünger sind als ich, dass sie nicht wissen, was eine Schreibmaschine ist: Benutzt Brockhaus, Google, Wikipedia, Facebook, TripAdvisor, was auch immer. Ihr schafft es, ich glaube fest an euch. Ebendieses Gerät ist heute angekommen. Und wie ihr zu eurem eigenen Leidwesen feststellen müsst (Leidwesen, da es in einem fort textet), macht sie unglaublichen Spass. Man kann nicht eben mal falschgetippte Buchstaben korrigieren. Falsch bleibt falsch und wird gnadenlos durchgestrichen oder brachialst zur Unkenntlichkeit überschrieben. Die Art, wie die Maschine zudem verpackt und dokumentiert angekommen ist, begeistert gleich doppelt. Der liebe Verkäufer, Hanspeter aus L., sei ganzheitlichst umarmt. Er hat mir eine riesengrosse Freude damit bereitet. Das werde ich ihm gerne mitteilen. Nur werde ich das doch per Mail schreiben. Wobei Briefe sind ja altbacken. Warum denn nicht hier tun? Mach’ ich doch. Wir überraschen mal live den Hanspeter aus L. in der Hoffnung, dass es irgendwann mal von ihm gelesen wird. Es wäre mir eine Ehre und eine Freude.

Lieber Hanspeter
Zu allererst entschuldige ich mich für die ordinäre Duzform. Die hat aber einen triftigen Grund: Wenn ich deinen Nachnamen hier hinschreibe, belästigen dich unvermittelt wegen mir eine Horde Anthropologen oder Altstoffsammler. Und diesen Gring möchte ich dann schon mal gar nicht hinhalten müssen. Des Weitern kann es passieren, dass du als passionierter und erstklassiger Schreibmaschinenrestaurator mit einem Mal dermassen von Laufkundschaft überrennt wirst (warum heisst es denn in diesem Kontext nicht Rennkundschaft?), was es mir wiederum verunmöglicht, andere hübsche Artikel bei dir kaufen zu dürfen, weil du so heillos ausverkauft sein würdest. Darum das «du». Deshalb die stille und halt etwas forsche Zurückhaltung, was deinen Nachnamen betrifft. Aber ja: Ich bedanke mich von Herzen bei dir für die tadellose und liebevolle Lieferung. Ich habe eine Riesenfreude an einem legendären Stück Zeitgeschichte. Wow, 1939. Zwei Jahre später ist mein Vater geboren. Ist der Geburtsschein meiner Mutter hierauf getippt worden? Oder Winston Churchill hat die Nicht-Kapitulation Englands damit verfasst. Dies schliesse ich aber gleich wieder aus: Im Innern der Hermes finde ich keine Zigarrenasche. Und man stelle sich nur mal am Rande vor, wenn der Herr Churchill mit seinen Wurstfingern in der Mechanik dieser Tasten stecken geblieben wäre. Der hätte kapituliert... vor einer Baby. So oder so danke ich dir bestens, lieber Hanspeter. Bei passendem Jazz und mit einer alten Hermes Baby gleich ein Stückchen kreativer zu werden, versüsst einem ungemein den Tag. Und macht Lust auf mehr. Im Grunde fehlt nur das Glas Wein zum puren Glück. Ich wünsche dir, Hanspeter (und ebenso wünsche ich es der Welt von Herzen) dass du viele neue Kunden bekommst, die dem hochtransformierten iPad abschwören, um sich endlich wieder an einer alten Hermes so richtig fachmännisch die Klööpen einzuklemmen. Eben nicht Touchdisplay, stattdessen Geschepper ohne Ende. Und alleine die Vorstellung, dass dieses zauberhafte Geklapper die Nachbarschaft nicht schlafen, sondern aufhorchen lässt, reizt ungemein, um Stunden weiter zu klappern. Es grüsst dich ein stiller Fan.

aedu.be - März 2019 

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