aedu.be
  • Wein
    • Vinosophie
    • Glossar
    • Atelier (folgt)
    • Weinweisheiten
  • Musik
    • Solo
    • Duo (folgt)
    • Trio
  • Termine
  • Vita
  • MEHR
    • Worte
    • Hunde
    • Laden

Alter Ego

1/1/2019

0 Kommentare

 
Ich werde ein Buch verfassen. Schon lange spiele ich mit der Idee, meine Gedanken in Worte zu fassen, ohne zu wissen, weshalb. Manche sagen, ich könne mich ausdrücken. Unterhaltsam, wortgewandt. Wie auch immer. Ich schreibe. Denkbar, dass der Wunsch zum Schreiben daraus gewachsen ist, dass ich geschmackvolle und völlig überteuerte Schreibgeräte liebe und während vieler Jahre eine beachtliche Anzahl solcher angeschafft habe. Die meisten davon sind schwarz und haben in der Kappe ein weisses, sechsseitiges Emblem. 
Hörst du das leichte Kratzen der Feder über ein nicht gestrichenes Papier? Ist es nicht fesselnd? Das Aufziehen der Tinte aus dem Tintenfass in den Füller und immer etwa einen Klecks auf dem weissen Blatt oder auf den Fingern. Und nicht zuletzt der erlösende Abbau von überschüssiger Energie beim Zerknüllen des Bogens. Oldstyle eben. Altbacken werden sie sagen. Aber das ist wieder in. Sowie rasieren mit dem Messer. Und für einen, den sie nach der Halbzeit zurück ins Feld gelassen haben durchaus passend. Im Grunde bin ich ein Hipster, ohne zu wissen, wie das gelingt.
Da ich alten Kram grundsätzlich nicht verabscheue, hätte eine in die Jahre gekommene Remington-Schreibmaschine einen unglaublichen Reiz. Ich hatte als Kind mal eine vom Patenonkel geschenkt bekommen. Leider keine Remington, die wäre in Ehren gehalten worden. Die hatte just beim «a» einen Fehler und statt eines a’s gab es jeweils in regelmässigem Abstand ein gehöriges Loch durchs Farbband hindurch gleich ins Papier. Das war was. Und hatte Stil ohne Ende. Dann also eine Remington? Warum denn nicht. Und trotzdem sitze ich jetzt mit einem Laptop vor dessen Bildschirm und finde es irgendwie praktischer. Zeitgemässer halt. Obwohl das nicht wertend ist. Es ist lange nicht alles besser, nur weil es modern ist. In einem Artikel hatte ich mal gelesen, die Schreibmaschine von Stephen King habe einen Defekt beim «n» gehabt. Kaputte n’s verpflichten also zu Weltruhm. Zum Glück funktioniert mein «n» wie geschmiert.
Was berechtigt einen zum Schreiben? Ist es notwendig, dass er viel erlebt hat? Muss er etwas zu sagen haben? Vielleicht macht er es nur für sich allein, in der Annahme, dass das nie jemand lesen wird. Denn wer nicht wagt, gewinnt schon mal gar nichts. Und damals vor zehn Jahren haben alle geschrien, selbstständig zu werden sei zu riskant. Dennoch bin ich es. Seit langer Zeit mein eigener Vorgesetzter. Mit vielen Risiken, die dies mit sich bringt. Demnach kann ich doch tun und lassen, was ich will. Das zur Berechtigung. Eine Jede und ein Jeder soll schreiben, was ihn dünkt. Nur lesen muss es ja dann nicht so ein Mancher.
Viele Bücher habe ich gelesen. Über das Schreiben und andere. Die Geschichte soll geplant sein. Da benötigst du zuerst einen Plot, einen Handlungsstrang. Danach musst du Figuren entwickeln und ihnen Leben einhauchen. Abwägen, welche deiner Rollen das Zeug zur Hauptfigur hat und welche eben eine Nebenrolle übernimmt. Wenn ich das wüsste. Geschweige denn: wenn ich nur einen Hauptcharakter kreiert hätte. Persönlichkeiten entwickeln liegt mir halt nicht. Dann wird es ein Sachbuch. Über das Bauen am besten. Das kann ich nach all den Jahren. Meine es zu können. Wie dem auch sei, es kommen immer noch Kunden in mein Geschäft und wollen mich für eben dieses Fachgebiet. Aber ich versuche mich ja hier in einer einfallsreichen Freizeitbeschäftigung. Ohne zu sollen und zu müssen. Und Bauen ist etwa zu fünf Prozent kreativ und zu den restlichen fünfundneunzig Prozenten harte Arbeit, so wie manch eine andere Beschäftigung auch. 
Man stelle sich mal vor, ich hätte damals als Krankenschwester abgeschlossen. Gibt mir das die Berechtigung, eine Pflegeanleitung zu schreiben? Und würde die jemand lesen? Dann aber ebenso gefälligst nichts zum Bauen. Mit Sicherheit nicht. Demnach ein Sachbuch über andere Qualitäten geben. Wenn ich nur wüsste, welche. Das Heimwerken, was ich bei meinem Vater abgeschaut habe. Das Musikmachen, das mir anderweitig zugeflogen kam. Wer liest denn ein Buch, das vom Gitarrenspielen handelt? Oder eine Schritt für Schritt Anleitung über das Bilderaufhängen? Genau. Niemand. Demnach halt kein Sachbuch.
Ein Kriminalroman. Das wäre herausfordernd. Gibt es die nicht schon ausreichend? Ich lese sie gerne, aber da sind wir wieder bei den Plots und den Figuren… ich lasse es bleiben. Nicht das Schreiben, nur den Roman.
Schau aus dem Fenster, hör in der Siedlung, in der du wohnst genau hin. Sprich mal drei Sätze mit der Kioskfrau und amüsier’ dich über das frisch verkrachte Ehepaar im Bus. Da sind Figuren und Handlungen zuhauf. Alle echt. Gratis und franko direkt an die Haustüre geliefert. Und gleich so unverwüstlich wüstlich. Mit einer Portion verlogener Ehrlichkeit und haufenweise übersteigertem Selbstwertgefühl. Nimm die. Somit schreibe ich doch über das Leben, ich freue mich drauf. Dann wird es halt ein Tagebuch.
Genau! Das hat ja jetzt noch gefehlt. Ein Tagebuch, nein schlimmer: m-e-i-n Tagebuch veröffentlichen. Das kommt gar nicht in Frage. Und wann kommt es denn heraus? Am Ende des Tages? Wenn das Leben fertig ist? Alle zehn Jahre, mit jeweiligen Folgebändern? Nach vierzig Jahren dann: «ich 4.0, nur älter». Voilà, kein Tagebuch! «Hör auf» bemerkt die eine Synapse leise aber nicht undeutlich an meinem Mittelohr. «Mach mal was, vielleicht wird es ja ganz unterhaltsam» sagt eine andere. Ich bin mir sicher: Diese eine, alles entscheidende Synapse hat eine Direktverbindung zur Leber: Wie sonst hält man so verbissen an einer Schnapsidee fest?
Was mich trotzdem nicht in Ruhe lässt, ist die Hauptfigur. Es braucht sie dann doch. Nur: bin ich das? Ja, bis jetzt schon. Klar. Wenn das mit dieser Schreiberei Spass macht, wer interessiert sich denn aber dafür, immer Texte im Ich-Stil lesen zu müssen. Und wäre es nicht reizvoll, mal die Storys etwas auszuschmücken und nicht nur bei der Wahrheit zu bleiben. Oder Elemente hinzuzufügen, die so gar nie geschehen sind. «Alter Ego» nennt sich das. Wikipedia meint, das kommt aus dem Latein und steht für «das andere Ich». Wow, ein alternatives Ich. Toll. Der darf dann. Alles. Der darf dann alles, was ich will. Und der liebe Leser weis damit nie so genau, in welcher Siedlung sich die Geschichte abspielt und aus wessen Fenster denn geguckt wird. So mache ich das. Wenn er sich etwas etabliert hat, taufen wir ihn Heinrich. Nicht heute, aber so soll er heissen.
Zuletzt gilt es, die Länge und den Schreibstil zu definieren. Den Stil kennst du seit zehn Minuten. Entscheide selbst, ob er dir zusagt oder nicht. Verändern kann ich ihn kaum, es ist meiner. Aber mit dem Schreiben wird er sich sicher vermutlich verfeinern. Zur Rechtschreibung gibt es im Übrigen zu sagen, dass bei meinem Computer nicht etwa die Shifttaste hinüber ist. Das kommt daher, dass ich nie ein brauchbares Zehnfingersystem gelernt habe. Vielmehr ein mittlerweile ausgeklügeltes Fünffingersystem. Blitzschnell wage ich zu behaupten. Und da es so stürmisch ist, bleibt kaum Zeit noch für Grossbuchstaben zu sorgen ohne den nächsten Tippfehler zu machen. Und darum habe ich mir vor zehn Jahren die Grossbuchstaben abgewöhnt. Gehen wir also bitte entschuldigend damit diesem Missstand um. Sagen wir einfach, ich schreibe mit einer Remington, und deren Grosstaste klemmt unwiederbringlich.
Die Länge der Erzählung ist ein anderes Kapitel. Wenn es denn überhaupt solche gibt. Werden Fenstergeschichten an einem Stück erzählt? Vermutlich nicht. Vielmehr ist das doch eine Verkettung von vielen kleinen Geschichten hinein in ein ganzes Leben. Demnach wären Kurzgeschichten etwas. Wir werden sehen. So eine Art Kolumne. Ich lese gerne mal die Beiträge von Tageszeitungen. Die sind kurz, knackig, beliefern uns in fünfzehn Leseminuten mit einem neuen Denkanstoss oder sie bringen dich zum Schmunzeln. Das macht man heutzutage viel zu wenig.
Neuanglodeutsch heisst das ja bloggen. Und für Menschen, die jetzt älter sind als ich: Ein Blog ist so eine Art öffentliches Tagebuch. Der Schreiber bloggt seinen Tagesinhalt mitsamt Bildern seines Mittagsmenüs auf ein Onlineportal und wünscht sich dann, dass es in der grossen weiten Welt gelesen wird. Zum Glück kaufen heute viele Menschen stets Bücher. Etliches spielt sich aber eben online ab, und das hat Vorteile. Es erspart die Verlagssuche, die Restriktion was den Inhalt angeht und sonst so einiges. Ja: Ich habe wirklich Bücher über das Schreiben konsultiert. Demnach kann man einen Gedanken in die Tastatur der Remington hämmern und ab ins Netz damit. Nur eben ohne Netz und doppelten Boden. Und wichtig: bitte keine Bilder des Mittagessens. Adieu du schöner Text, auf das du gelesen wirst. 

aedu.be - Januar 2019
0 Kommentare

Ihr Kommentar wird veröffentlicht, sobald er genehmigt ist.


Antwort hinterlassen

© Ädu Zumbrunn 2025
NEWSLETTER ANMELDEN
  • Wein
    • Vinosophie
    • Glossar
    • Atelier (folgt)
    • Weinweisheiten
  • Musik
    • Solo
    • Duo (folgt)
    • Trio
  • Termine
  • Vita
  • MEHR
    • Worte
    • Hunde
    • Laden