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Digital Detox

1/8/2022

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Ich war immer mal wieder offline. Digital Detox. Mindestens von Facebook habe ich mich jedes Jahr mal zwei Monate distanziert. Jüngst in diesem Frühling für ein Vierteljahr. Und was habe ich vermisst? So… lass mich kurz nachdenken… nichts. Oder nichts mehr. Nach zwölf Jahren auf dieser Plattform habe ich halt entschieden, diese Plattform zu verlassen. Grund genug, meine heutige Facebookzeit in einen Text zu investieren. Aber zur Zeit komme ich noch. Wichtig ist hierbei eine korrekte Rechtschreibung: Der simple Satz «Komm wir essen, Opa» bekommt ohne sein Komma an der richtigen Stelle eine völlig kannibalistische Bedeutung. Verdammt, jetzt bin ich aber abgeschweift.
Ich war ein Facespätbookzünderdingsbums. Der Herr Zuckerhut hat diesen Verein 2004 gegründet, wenn man Google mal glaubt. Erst 2010 habe ich - nachdem alle zukunftsorientierten Freunde dies schon lange hatten - ein ebensolches Profil aufs Netz gestellt. Kommentare wie «was, du endlich auch hier» waren damals die Regel. Ich habe mich fast geschämt. Das wäre nicht nötig gewesen, wie sich herausstellt. Aber läck hatte ich eine Freude, als ich Freunde hatte! So richtige – vernetzt und zueinandergestanden durch dick und dünn und besiegelt bis in alle Ewigkeit mit einem Like. Ist das grandios! Und ist das… falsch!
Warum nicht «nicht mehr schauen»? Wieso nicht die App auf dem Handy ignorieren?
Einerseits hat es einen gewissen voyeuristischen Reiz, zu sehen, wer sich denn doch verlobt hat, wer vollends deprimiert seinen Veloschlüssel im Hirschengraben verloren hat und zum Mitsuchen aufruft und wer ein veganes Schnitzel isst, um damit ein unwiederbringbares Zeichen zur Erhaltung der Menschheit setzt, dies aber leider völlig unterbelichtet auf dem Drive-in-Parkplatz mit dem Interieur eines Dreier-BMW fotografiert und sich somit ökologisch sogleich wieder selbst besudelt. Und ob jetzt die Szene oder der Mensch dahinter unterbelichtet ist, sei allen selbst überlassen, hat aber diesmal weder mit Leerschlägen noch mit Kommas zu tun. Versprochen. 
Andererseits weil das «löschen», «verschenken», «wegschmeissen», «verkaufen» und «kündigen» so etwas gefreut Definitives hat und einem die Existenz so wohlig aufräumt. Wie bei den Kleidern: Was ein Jahr lang nicht getragen ist, kommt weg. Alles darf klar und leicht werden im Leben, dann kommt die Luftigkeit von alleine. In der zweiten Lebenshälfte muss ich mich mit Meeresfrüchten nicht mehr versöhnen – sie bereichern meinen Alltag nicht mal am Wochenende, ich finde sie eklig und ich denke, dass sie gerne im Meer bleiben dürfen. «Hummer – nein danke», «Käse, unbedingt»! Warum denn nicht bei digital ebenso so klar? Digiklar quasi. Und ich bin durchaus ein digitaler Mensch. Aber alt genug, um analoge Liebschaften einzugehen.
Ich melde mich von dieser Plattform ab, weil sie mich nicht weitergebracht hat.
Ich war dort nicht sonderlich bemüht. Ich habe nie das Mittagessen mit dem zwielichtigen Kommentar «hmmmmm» und einem Herzchen dahinter online gestellt. Mein kleines Büro hatte ich als Seite aber sofort nachgereicht sowie alle Bands und Konzerte, bei denen ich aktiv war. All dies habe ich in die Wolke gedrescht. Ein Türöffner wird es sein für die grosse, weite Welt. Das war es nicht. Vermutlich habe ich es falsch gehandhabt. Ich hätte wesentlich mehr Präsenz zeigen müssen. Jedes Mittagessen posten. Das generiert Likes und diese hätten zu neuen Freunden geführt. Aufgrund dieser Fans wäre der Auftritt am Gurtenfestival direkt vor der Türe gestanden. Ich lag so falsch.
Ich melde mich von dieser Plattform ab, weil sie mir zu viel Zeit wegnimmt.
Gehen wir mal zusammen davon aus, dass ich pro Tag 20 Minuten Facebook-Beiträge durchwische (sind wir mal ehrlich: zu lesen gibt es ja nichts). Und ich wische jetzt während eines ganzen Jahres solche Texte durch. Dann ergeben sich 121 Stunden im Jahr. Hunderteinundzwanzig, weil es schon ein relativ langes Wort ist. Klar - man mag zu Recht sagen: «Hey, Facebook ist meine Klo-Lektüre». Na, somit hast du 121 Stunden einerseits gemultitaskt und andererseits hatte diese Zeit eine befreiende, klärende Funktion für dich, die deiner Gesundheit zuträglicher ist, als es immer zu verklemmen wie auf einem Langstreckenflug zwischen Zürich und New York. Komm, wir rechnen weiter, macht grad spass: 121 Stunden im Jahr multipliziert mit den vierzig, die mir bleiben (bei guter Führung hoffe ich mal), das ergibt 4’840 Stunden. Viertausendachthundertvierzig Stunden - weil es ein noch beachtlicheres Wort ist. Was man damit so anstellen kann? Das sind über zweihundert komplette Tage mitsamt der ganzen Nacht dazu. Sieben Komplettmonate. Wir arbeiten - wenn wir es Vollzeit tun - etwa zweitausend Stunden pro Jahr. Dann sind das rund zweieinhalb Arbeitsjahre. Ich höre mit dem Rechnen blitzartig auf. Ich habe doch tatsächlich ein Viertel dieser Herleitung bereits mit Wischen verbracht – ob jetzt bei Facebook oder auf dem Klo. 
Ich melde mich von dieser Plattform ab, weil ich sie flach finde.
Die Niederlande sind gegen Facebook mindestens die Voralpen. Viele meiner Menschen sehen das dem Anschein nach auch so, denn die Beiträge sind immer flacher und inhaltsleerer und darum nicht von ihnen, sondern vom Nachbarn der Freundin eines Arbeitskollegen dessen Vetters Tante. Wie ich nicht sofort auf diesen Facezug gesprungen bin, so bin ich heute eher zu spät ausgestiegen, so langweilig ists dort schon. Aber Hauptsache, ich steige aus eigener Überzeugung aus. Im Übrigen fahre ich lieber meinen persönlichen Zug. Einen, in den ich einsteigen und aussteigen lasse, wen ich möchte. Das ist mittlerweile ein mehrbesseres Marzilibähnli mit haufenweise Rost und einer alten Krokodillok vornedran, die aber zuverlässig wie ne Moore den Laden am Laufen hält. Und hinten ist alles stilvoll aufgeräumt, handverlesen und die Passagiere reisen bequem. Und wie Huber so treffend gesagt hat: «Wenn i weiss, wo d’Reis ändet, de gah ni nid».

Ich melde mich von dieser Plattform ab! Nicht nur «Digital Detox» sondern «Digital Exit». Wenn sich zumindest eines meiner drei Argumente ins Positive wendet, so überlege ich es mir wieder. Ich habe nichts gegen dich, werter Zuckerhut. Nur zu viele Ideen im Kopf und zu wenig Zeit für dich, sorry.

aedu.be - August 2022 
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